Lieber Stehsekretär als Cloud?
Ja, es gibt sie noch, die guten Dinge mit dem gewissen Nostalgiewert. Sie sind beispielsweise bei Manufactum und Co. zu finden, für einen mittleren bis gehobenen Nostalgie-Preisaufschlag. Arbeitsplatzutensilien wie etwa der Stehsekretär aus Kirschbaumholz für lässige 2.290 Euro erinnern an die Zeiten, als die Herren Kommerzienrat oder Gymnasialdirektor noch mit Füllfederhalter und Papier den Lauf der Welt lenkten. Damals waren eigenartige Dinge wie „Computer“, „Internet“ oder gar „Cloud“ nicht einmal im Entferntesten vorstellbar. Und so lange liegt diese Zeit noch gar nicht zurück, wenn man Opa oder Oma fragt.
Arbeitsplatz damals: Auf dem Stehsekretär von Manufactum haben natürlich auch Tablets und Notebooks mit Anbindung an das Internet und Cloud-Computing-Umgebungen Platz. Bild: Manufactum
Heute sieht ein Arbeitsplatz natürlich ganz anders aus. Nach Angaben des deutschen High-Tech-Verbandes Bitkom verwendeten im Jahr 2013 in Deutschland 61 Prozent der Beschäftigten einen Computer. Zum Vergleich: In der Europäischen Union betrug der Wert 54 Prozent. Stehpult, Edelfeder und Papier haben somit zumindest in den meisten deutschen Büros keinen Platz mehr oder dienen bestenfalls dazu, mal eben schnell ein paar Notizen zu machen.
Arbeitsplatz heute: In Deutschland verwenden mehr als 60 Prozent der Beschäftigten mittlerweile einen Computer. Grafik: Bitkom
Evolution: Workplace goes Cloud
Doch damit nicht genug. Der Computer-Arbeitsplatz alter Prägung wird mittelfristig dasselbe Schicksal erleiden wie Stehpult und Schreibmaschine, so eine Studie der Marktforschungsgesellschaft Pierre Audoin Consultants (PAC). Demnach sind 61 Prozent der mittelständischen und größeren Unternehmen in Deutschland gegenüber Cloud-basierten Arbeitsplatzlösungen aufgeschlossen. Laut der Untersuchung plant oder diskutiert jedes vierte deutsche Unternehmen den Auf- oder Ausbau einer Cloud-Lösung in den Bereichen gemeinsames Bearbeiten von Dokumenten (Document Sharing), Web- und Videokonferenzen und E-Mail.
Noch dominiert das eigene Rechenzentrum: Ein Großteil der Firmen stellt Büroanwendungen nach wie vor über eigene Server und TK-Systeme bereit. Cloud-gestützte Ansätze holen jedoch stark auf. Bild: PAC
Bislang dominiert in diesen Bereichen allerdings noch der herkömmliche Ansatz, also entsprechende Anwendungen über eigene Server bereitzustellen. Bei Mail- und Kalenderanwendungen ist das in 78 Prozent der Firmen der Fall, bei Web-/Videokonferenzen in 43 Prozent. Obwohl Microsoft vehement für ihre Cloud-basierte Office-Version „Office 365“ wirbt, herrscht bei den potenziellen Nutzern ein gewisses Misstrauen vor. Laut PAC planen nur 8 Prozent der Firmen einen Umstieg auf die Cloud-Variante, an die 12 Prozent diskutieren immerhin darüber.Konservative Haltung bei Bereitstellungsmodellen
Generell geht PAC davon aus, dass bei den Kernanwendungen, also Document Sharing, Conferencing, E-Mail und Kalender, ein zweistelliger Zuwachs der Nutzer von Cloud-gestützten Lösungen pro Jahr zu erwarten ist, von etwa 20 bis 30 Prozent. Interessanterweise zeigen sich vor allem kleinere Unternehmen der Cloud gegenüber aufgeschlossen. Eine gewisse „Stehpultsekretär“-Mentalität ist allerdings bei der Bereitstellung der Cloud-Lösungen zu beobachten: Der Anteil der Unternehmen, die externe Cloud-Services verwenden, die spezialisierte Provider bereitstellen, liegt laut PAC nur bei 3 bis 5 Prozent. Etwas besser sieht es bei E-Mail/Groupware (8 Prozent) und Conferencing-Anwendungen (10 Prozent) aus.
Arbeitsplatzapplikationen gehen in die Cloud: Vor allem Document-Sharing, Konferenzlösungen sowie E-Mail und Kalenderfunktionen werden in Clouds ausgelagert. Bild: PAC
Hier spielen sicherlich die Nachwirkungen der NSA-Affäre eine Rolle. Dementsprechend führen die meisten Befragten denn auch Sicherheitsbedenken als größtes Hemmnis für die Nutzung Cloud-basierter Arbeitsplätze an. An die 80 Prozent der Befragten nannten konkret den Zugriff von Geheimdiensten auf Geschäftsdaten als Hemmfaktor bei der Einführung von Cloud-Lösungen.Kritikpunkte: Reifegrad der Angebote
Zwei Punkte sollten allerdings den Anbietern von Cloud-Lösungen zu denken geben: Etliche Interessenten monieren, dass die Angebote „unausgereift“ seien und ein „unattraktives Kosten-/Nutzenverhältnis“ böten. Hier müssen die Cloud-Service-Provider offenkundig nachbessern. Möglicherweise mangelt es auch an aussagekräftigen Best-Practice-Materialien und Kostenbeispielen, mit denen Kunden überzeugt werden können. Dazu zählen beispielsweise Konzepte für eine „Mischlösung“, etwa Hybrid Clouds.
Kritikpunkt: Nicht nur Sicherheitsbedenken spielen in der Diskussion um Cloud-Services eine Rolle, sondern auch Zweifel an der Reife und dem finanziellen Nutzen. Bild: PAC
Denn anderen Studien zufolge, etwa von IDC Deutschland, gehen Unternehmen in Deutschland sehr wohl dazu über, hybride Cloud-Umgebungen aufzubauen: Ein Teil der Daten und Anwendungen wird in diesem Fall über eine interne Private Cloud bereitgestellt, ein Teil der Applikationen, Plattformen und Infrastrukturdienste kommt von „außen“, also einem externen Cloud-Service-Provider. Laut einer Studie von IDC vom Herbst 2014 wollen in zwei Jahren 69 Prozent der Unternehmen eine Hybrid-Cloud nutzen, mehr als die Hälfte greift zudem auf Public Clouds zurück.
Hybrid-Ansätze besonders beliebt: Hybrid-Cloud-Umgebungen, in der Private- und Public-Cloud-Dienste gemeinsam genutzt werden, waren laut IDC 2014 in Deutschland besonders beliebt. Bild: IDC
Das lässt darauf schließen, dass sich auch extrem sicherheitsbewusste Kunden sehr wohl für einen „Arbeitsplatz in der Cloud“ begeistern ließen. In diesem Fall könnte ein Unternehmen besonders sicherheitskritische Services entweder über eine interne Cloud oder von einem hoch zuverlässigen „Cloud-Service-Provider seines Vertrauens“ beziehen, weniger sensitive Services dagegen über eine Public Cloud.Cloud-Rechenzentrum soll in Deutschland stehen
Doch zurück zu den Workplaces. Ein Faktor ist laut der Untersuchung von PAC für die meisten Firmen, die IT-Arbeitsplätze ganz oder teilweise in eine Cloud-Umgebung verlagern möchten, extrem wichtig: wo sich das Rechenzentrum des Cloud-Service-Providers befindet. An die 57 Prozent der Unternehmen bestehen auf dem Standort Deutschland, weitere 30 Prozent sind mit einem EU-Mitgliedsland zufrieden.
Made in Germany: Ein Großteil der deutschen Firmen bevorzugt Cloud-Anbieter, deren Datacenter hierzulande oder zumindest der EU stehen. Bild: PAC
Nur 8 Prozent würden einen Standort außerhalb der Europäischen Union akzeptieren, vorausgesetzt, auch dort würden europäische Datenschutzrichtlinien eingehalten. Das können beispielsweise Provider in der Schweiz oder Norwegen sein.